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Geboren im Jahr 1899 in einem Bergdorf im Oberharz. Also in einer Zeit als Kaiser und Preußen das Geschick im II. Reiche lenkten. Sein Vater war Wilhelm Bertram (1859-1940) und seine Mutter Marie Bertram geb. Schubert (1865-1924). Er hatte, damals nicht unüblich, 7 lebende Geschwister (6 Brüder, 1 Schwester).
Als Fritz 6 Jahre alt war (1905), trug es sich in Lerbach zu , dass er von einem Hüttenhund in den Oberschenkel gebissen wurde. (Lerbach ist ein Dorf im Oberharz, in welchem bis in das letzte Jahrhundert hinein Hüttenbetrieb und Köhlerei bewirtschaftet wurden). Die durch den Hund zugefügte Wunde wurde oberflächig mit einem Verband behandelt. Im darauf folgenden Jahr, die Entzündung am Oberschenkel war schmerzhaft und stark angeschwollen, ist durch einen Osteroder Arzt eine Knochenhautentzündung diagnostiziert und erstbehandelt worden. Die Entzündung ließ sich nicht dadurch heilen, sondern breitete sich weiter aus, so dass die Schmerzen kaum zu ertragen waren. Als dieser Arzt daraufhin erneut konsultiert werden musste, kam noch der Lerbacher Hausarzt Dr. Schönrock (der bis dahin im Urlaub eilte) hinzu, beide Ärzte waren sich einig, es musste eine sofortige Operation erfolgen. Die damaligen medizinischen Notwendigkeiten waren im Krankenhaus Clausthal gegeben, wohin eine Überführung mittels Postkutsche noch am gleichen Abend gegen 21Uhr erfolgen sollte. Nun hielt dieses Transportmittel nicht vor der Haustür, also musste sein Vater Wilhelm ihn auf den Rücken tragend zur Posthaltestelle transportieren sowie in Clausthal von der Haltestelle zum Krankenhaus. Es wurde am nächsten Morgen operiert. Der Chirurg öffnete die Innenseite des Oberschenkels. Sein Vater besuchte ihn nunmehr täglich im Krankenhaus Clausthal, wobei er diese Strecken jeweils per pedes zurücklegte. Drei Wochen später konnte Fritz das Krankenhaus verlassen. Somit wurde vorerst die Wunde geheilt, aber ein Jahr später (1907) zeigte eine weitere Diagnose wiederum eine Knochenmarkentzündung auf. Abermals musste eine OP durchgeführt werden. Dieses Mal, es wird heute von einer Knochen OP gesprochen, wurde der Eingriff von Medizinalrat Dr. Jacob ausgeführt. Im Einzelnen wurde der Muskel entfernt als auch der Oberschenkelknochen aufgemeißelt und ein Pass gelegt so dass der Eiter abfließen konnte. Da der Körper des Jungen geschwächt war, konnten keine, damals zur Verfügung stehenden, Betäubungsmittel zum Einsatz kommen .Es wurde sich daher mit dem guten alten Stück Holz im Mund beholfen. (Kommt daher der Spruch: „man kann sich auch den Schmerz verbeißen“?). Nach weiteren 4 Wochen Krankenhaus konnte Fritz wieder nach Hause (Bärenbruch). In der folgenden Zeit musste der Verband täglich gewechselt werden, wobei aber das Eitern nicht aufzuhören schien. Der Hausarzt Dr. Schönrock kam immer ins Haus und versorgte die etwa 25cm lange Wunde am Oberschenkel. Da keine schmerzlindernden Mittel oder aber Antibiotika , Penicellin erforscht waren (nicht mal das uns altbekannte Röntgen stand zur Verfügung), war dieser Vorgang von erheblichen Schmerzen begleitet, welche der Junge auch lautstark äußern musste. Dieser Eiterherd begleitete Fritz bis 1914, als er im Alter von 15 aus der sich immer wieder öffnenden Wunde einen Knochensplitter in der Größe von 1cm selbständig entfernte. Danach heilte die Wunde endlich und ein weiteres Eitern war nicht mehr gegeben.
Diese Leidensgeschichte hat auch einen weiteren Aspekt, Fritz wurde hierbei Kriegswehrdienst untauglich und musste nicht, wie ein Teil seiner Brüder, sein Leben für Kaiser und Vaterland aufopfern. Aber es sei auch nicht zu vergessen, dass sich die Kosten der zweiten OP beim jüdischen Medizinalrat Dr. Jakob auf 600 Mark beliefen. Fritz’s Vater hatte diesen Betrag in Raten beglichen. Als er die letzte Rate in Höhe von 100 Mark bezahlen wollte, erließ ihm der Arzt diesen Betrag. Vater Wilhelm Bertram konnte nach vorzeitigem Ausscheiden (Lungenschaden) seiner Arbeit als Former auf der Hütte nicht mehr nachgehen. Er machte sich notgedrungen selbständig (somit nicht krankenversichert) und stellte Pantoffeln her und vertreib sie auch selbst, indem er durch die Lande marschierte und sie feil bot. Diese ständigen Fußmärsche an der frischen Luft verbesserten seine Lunge derart, dass er wieder gesundete. (Nicht umsonst heißt es auch Luftkurort Lerbach).
Fritz besuchte die Schule, sowie es seine Schmerzen zuließen. Er und ein Mitschüler hatten eines Tages der Form nicht genügt, da sie die Verlobte des Junglehrers Schubert , Frau Heine, nicht gegrüßt (Mütze abnehmen) hatten. Es wurde darauf vom Junglehrer ein ordnungs gemäßes „Mütze ab“ exerziert. Während des I. Weltkrieges wurden die Schuljungen in die Osteroder Jugendwehr eingegliedert, es wurde mit dem Holzgewehr geübt. („Da kommt die Osteroder Jugendwehr mit ihrem Holzgewehr“.) Als der Übungsleiter Herr Heine, Kenntnis davon erhielt, sein Schwiegersohn (Junglehrer Schubert) sei gefallen, brach er das Exerzieren ab und nahm es auch nicht mehr später auf.
Im Jahr 1916 unternahm Fritz mit seinem Bruder Wilhelm und Vetter Wilhelm Schubert eine längere Wanderung durch den Harz nach Thale. Es ging in 3 Tagen über den Oberharz hin und über den Südharz zurück. Als Verpflegung hatten sie das, was sie in ihrem Rucksack mitnahmen (Kartoffeln) sowie Lebensmittelmarken für ein Brot, in diesen Zeiten war mehr nicht vorhanden. Für die Nächte musste ein Quartier gesucht werden, wobei sie hier auf viel Verständnis der Menschen trafen. So wurde einmal in einer Gartenlaube in Schirke oder in einer Nacht in einer Scheune in Traunstein übernachtet. In der Nähe von Tahle in einem Steinbruch errichteten sie eine Feuerstelle und bereiteten sich ihre Kartoffeln über dem offenen Feuer zu. Mit etwas Salz wurde dann diese Mahlzeit verzehrt. In Tahle wurde ein Denkmal im Wald (Hirsch) entdeckt, wovon ein selbst gemachtes Foto existiert. Bei einem Bäcker in Traunstein wurde mit den Lebensmittelmarken ein Brot erworben. Hierbei schenkte ihnen der Bäcker auch noch einen weiteren Laib Brot. Die Jungs wussten diese Geste sehr wohl zu schätzen, denn das Brot wurde in den Rucksack gesteckt und mit nach Hause gebracht. Dieses gütige Geschenk wurde von der Familie daheim sehr mit Freude begrüßt, es war wie an Weihnachten.
In dieser Zeit (1914-18) war der Bedarf an Lebensmitteln, Bekleidung und Schuhwerk ausgeprägt. Nach Fritz subjektiver Meinung war das Jahr 1917 das schlechteste. Er und sein Vater bestellten in diesem Jahr einen Acker in der Nähe von Clausthal. Sie durften somit jeden Tag an die 20km hin und 20km zurück gehen, um ihn zu bewirtschaften. Aber dieses war damals die einzige unabhängige Nahrungsquelle und musste gehegt und gepflegt werden. Auf Grund der Lage vergrößerte sich auch die Schuhherstellung. Es wurde nunmehr Schuhwerk für alle Gelegenheiten gefertigt. Die Produktion wurde in ein anderes Haus verlegt. Der Bruder von Fritz, Karl Bertram, half nun dem Vater. Als Karl in den Krieg eingezogen wurde, durfte Fritz an seiner Stelle zuarbeiten, jedoch gegen seinen Willen. Er wollte eine Bürolehre auf der Hütte absolvieren. Die Produktion vergrößerte sich, es wurde ein Gebäude der Hütte hinzugekauft. Da Materialen kaum legal zu kaufen waren, zeigte sich hier bereits Unternehmergeist. Die Frauen in der Lerbacher Umgebung wurden aktiviert und schafften Stoffe und Leder herbei, aus dem die Schuhe gefertigt wurden, was sich zu einem Selbstläufer entwickelte. Die Felle von illegal geschlachteten Tieren wurden aufgekauft, in die Gerberei (Osterode) geschafft und danach als Geschirrleder mit zu Schuhen verarbeitet. Sohlenleder wurde über eine Gerberei in Laubhütte beschafft. Es ist ein Fall bekannt, wobei alle beschafften Fälle beschlagnahmt wurden. So hielt man sich während diesen schlechten Tagen über Wasser und expandierte sogar.
Nach dem I. Weltkrieg wurde die Schuhproduktion weitergeführt und ausgebaut.
Fritz war gegenüber Neuem, Technischem sehr aufgeschlossen, er hatte bereits in seiner Jugend einen selbstgebauten Fotoapparat, mit dem er seine Umwelt ablichtete (diese Fotos existieren zum Teil heute noch), später auch einen vom damaligen Standpunkt aus professionellen Fotoapparat. In den 20erJahren war er auch einer der Ersten, die ein eigenes Auto ihr eigen nennen durften. Es trug sich damit auch einmal ein Unfall zu als er mit seinem Vater Wilhelm eine Ausflugsfahrt in den Harz machte. In einem Dorf im Harz gab es eine scharfe Kurve, diese hatten die beiden aber nicht auf der Rechnung, sondern entschieden sich, aus welchen Gründen auch immer, geradeaus zu fahren. Allerdings stand dieser Entscheidung eine Steinmauer, die an ein Haus angrenzte, im Weg. Sie wurde auch voll getroffen und das Auto entsprechend beschädigt. Es gab auch körperlichen Schaden zu beklagen, sein Vater hatte sich beim Aufprall so in seine Zunge verbissen, dass sie im Krankenhaus genäht werden musste.
Er heiratete im Mai 1932 Minna geb. Sauerbrey (1908-2002). Sie arbeitete in der Bertramsschen Schuhfabrik und lernte hier Fritz kennen. Im Jahr 1934 bekamen sie einen Sohn und 1938 eine Tochter. Ab dem Jahr 1936 wurde in dem Unternehmen anfangs und später ausschließlich Wehrmachtsstiefel hergestellt. Auftragsgeber war die Heeresverwaltung, welche auch die Beistellung des Leders überwachte, was natürlich eine Abhängigkeit vom Heeresbeschaffungsamt nach sich zog. Um weiter die Aufträge zu bekommen, nahm Fritz unterschiedlichste Optionen wahr, aber auch das half nur zum Teil. Das Beschaffungsamt der Wehrmacht entzog dem Unternehmen W. Bertram & Söhne den bestehenden Auftrag und erteilte nunmehr den wenig lukrativen staatlichen Auftrag, Schuhe mit Holzsohlen für Kriegsgefangene herzustellen. Das Material wurde angeliefert und von bis zu 90 Beschäftigten bearbeitet.
Nach dem Ende des II. Weltkrieges wurde das Unternehmen weitergeführt und es spezialisierte sich auf Arbeitsschuhe. Die Modelle wurden von Fritz und seinem Bruder Karl entworfen. Im Jahre 1950 verfügte die Berufsgenossenschaft, dass die Arbeitsschuhe mit einer festen Kappe aus einer Stahleinlage bestehen müsse. Dieser Fertigungsprozess war schwierig zu vollziehen. Nachdem experimentiert und entwickelt wurde, erlangte man erst nach einer längeren Zeit die Fertigungsreife. Jetzt erst war man in der Lage die modifizierten Sicherheitsschuhe anzubieten und man war das einzige Unternehmen was dazu in der Lage war. Jetzt geschah etwas, was unter dem Mantel Werksspionage zu titeln ist. Die Konkurrenz hatte diesen Vorgang komplett verschlafen und machte sich die Forschungsarbeit zunutze, übernahm unter Aufbietung größter finanzieller Mittel und Beziehungen die Herstellung mit gigantischen Vulkanisierungsmaschinen. Dem handwerklichen Betrieb standen solche Mittel nicht zur Verfügung. Es waren keinerlei Rechte gesichert. Außerdem hatte man seine finanziellen Mittel in die Erforschung des Arbeitsprozesses gesteckt, man war nicht mehr konkurrenzfähig. Die Schuhfabrik musste Konkurs anmelden.
Fritz und seine Brüder erlebten abermals eine Stunde null und mussten noch mal neu beginnen. Da eine Alterssicherung nicht bestand, musste Fritz zum Aufbau einer Altersrente bis zu seinem 80. Lebensjahr als Handelsvertreter für Schuhe weiterarbeiten.
In seinem Lebensabschnitt in den 80er und 90er Jahren beschäftigte er sich sehr mit der Wissenschaft des Pendels sowie der Energierückgewinnung an Natur und Körper. Gestorben ist er im Dezember 1999, in dem Jahr hat er seinen 100. Geburtstag noch erleben dürfen (können). Er galt längere Zeit als Ältester im Dorf und wusste die eine oder andere Geschichte zu erzählen.
Ich selber habe nie erlebt, dass mein Großvater mit seinem Schicksal haderte, ganz im Gegenteil, ich durfte ihn als sehr unternehmungslustig und mir gegenüber aufgeschlossen sowie mit einer speziellen Art von Humor erleben. Ich habe hiermit versucht anzuschneiden was in einem Jahrhundert von einer Person so alles durchlebt (erlitten) werden kann, wobei ich z.B. weitere Schicksalsschläge sehr privater Natur noch ausgelassen habe. Ich werde mir nochmals Gedanken machen und weitere Anekdoten in einem anderen Kontext verfassen.
Anmerkung: Viele Leser mögen sich über das Verlangen einer „Ahnenforschung“ wundern, aber der Verfasser ist sich bewusst, dass der Biss des Hundes und die sich dadurch ergebene Wehrdienstuntauglichkeit seines Ahnen, einer der Parameter (Kausalität) seiner eigenen Existenz ist.
Geschrieben anno 2002 copyright Bertram
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